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Die Sache mit dem Schlips: Auf das Muster kommt es an

"Sagen Sie doch bitte Schleife", fordert Jürgen Stange verschmitzt auf. "Fliege, das ist ein genagelter Faschingsartikel." Der Mann muss es wissen, schließlich ist der 65-Jährige Herr über Tausende Schleifen. In Teltow produzieren die zehn Mitarbeiter seiner Firma "Stange Berlin" Schleifen und Krawatten, Einstecktücher und Bauchbinden für Smokings. Alles aus Seide, die in Italien gewebt wurde, alles mit viel Handarbeit. Die kleine Firma, die einzige Manufaktur ihrer Art in Deutschland, besetzt damit eine Nische, um sich gegen die Billig-Ware aus China zu behaupten. Schleifen sind für Jürgen Stange ein modisches wie individuelles Muss. Etwa 80 hat er im privaten Kleiderschrank. "Ich wähle je nach Lust und Laune aus", verrät er. Wenn er dann in die Firma kommt, überlegt er es sich zuweilen anders und legt an, was ihm gerade gefällt. Anthrazitfarbener Anzug, blau-weiß gestreiftes Hemd, dazu eine Schleife mit blau-weißem Paisley-Muster. "Kräftige Farben sind in diesem Frühjahr und Sommer Trend, das Paisley-Muster ist seit einiger Zeit wieder ganz aktuell", sagt der Mann, der auf Mustermix steht und weiß, wie man eine Schleife ohne Spiegel in Sekundenschnelle bindet. Nämlich wie Schnürsenkel, nur dass man sie dabei nicht verdrehen darf.

"Schleifen sind etwas für Individualisten und Mutige", weiß Stange, der das 1934 in Berlin gegründete Unternehmen Anfang der siebziger Jahre von seinem Vater übernommen hat und gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Modegrafikerin Gabriele, leitet. Die Schleife ist eigentlich eine Erfindung von Madame Pompadour. Inspiriert von den Bändern, mit denen die damaligen Mieder am Rücken zugeschnürt wurden, band sie sich eine Schleife um den nackten Hals - damals eine unglaubliche Unverfrorenheit. Die Krawatte hingegen kommt vom Militär, der Name leitet sich von den früheren Halstüchern kroatischer Regimenter her. Zwar dominieren bei Jürgen Stange die schmetterlingsähnlichen Binder - pro Jahr produziert er etwa 88 000 Schleifen und 75 000 Krawatten -, am Hals der deutschen Männer baumeln aber zu 95 Prozent Schlipse.

Krawatten, das ist heute vielfach Pflicht, aber nicht ausschließlich. "Im Business kommt es auf die Branche an, in Werbeagenturen oder bei IT-Unternehmen kann darauf verzichtet werden", weiß Uwe Fenner, Stilexperte der Potsdamer Abathon Knigge & Karriere GmbH. Ansonsten hängt es vom Dresscode ab. "Bei smart casual oder business casual sowie in der Freizeit muss die Krawatte nicht sein", so der immer perfekt gekleidete Fenner. Inwieweit das Trio Hemd, Krawatte, Anzug von der Mode bestimmt wird, so der Stilexperte, hänge vom Typ ab, wichtig nur, dass Lässigkeit, wie sie im Privaten erlaubt sei, nie mit Nachlässigkeit verwechselt werde.
Der Anlass bestimmt den Look. Das weiß auch Andreas von Thien. "Vor der Kamera gilt das Motto" stilvoll, elegant und seriös", sagt der RTL-Sport-Moderator, der sich auch bei Abendveranstaltungen mit dezentem Anzug, Hemd und Krawatte zeigt, in der Freizeit aber einen sportlich lockeren Stil bevorzugt. "Als ich 1992 zum Fernsehen kam, konnte ich keine Krawatte binden und musste mir von Kollegen helfen lassen", gesteht von Thien, "inzwischen aber habe ich den einfachen Knoten längst raus und die Kollegen kommen immer öfter zu mir."

Bei Fashion-Trendsettern ist diese Saison lässiger Schick angesagt. "Hemden im Westernlook mit Druckknöpfen werden diese Saison getragen, ebenfalls angesagt sind ausgefallene, beispielsweise abstrakt-florale Drucke, Hemden mit Stickereien, dann jedoch Ton in Ton", skizziert Andreas Weissenhofer, Einkäufer der Szene-Designer-Boutique Tools & Gallery in Mitte das Spektrum für Modemutige.

"Frische, sommerliche und kräftige Farben sind diese Saison bei den Hemden Trend", weiß Lisa Löffelholz, Designproduktmanagerin von der Schweizer Herrenmarke Strellson. "Wir folgen dem Farbton jedoch nicht ganz, sondern reduzieren die Farbigkeit." So werden Blautöne von navy bis royal oder rosé mit schwarz, weiß und grau gemischt, frische wie dunkle Grüntöne mit schwarz und weiß kombiniert; Krawatten folgen dem in abgeschwächter Form. So wie Hemden immer noch die schmale Silhouette favorisieren, werden auch Schlipse schmal - je nach Hersteller nur vier bis fünfeinhalb Zentimeter breit.

Pastelltöne schickt, neben kräftigen Farben, auch das 1881 in Berlin gegründete, heute in Mönchengladbach ansässige Modeunternehmen van Laack ins modische Rennen: weiß, hellblau, vanillegelb, silber, beige, rosé und zartes viola. "Schmale Hemden mit kleinem Kentkragen sind der Look 2008", beschreibt van Laack-Sprecher Timm Hartmann, der zudem auf einen Trend aufmerksam macht, der derzeit in London ein Muss ist und im nächsten Sommer hierher überschwappen wird. "Hemd, schmale Krawatte und Cardigan", beschreibt er den Mix.

Wie man dem bislang als vermeintlicher Spießer-Look angesehenen Outfit den richtigen Pepp verschafft, weiß Jürgen Stange. "Statt Krawatte natürlich mit Schleife, die übrigens gerade wieder etwas breiter wird", rät der Mann, der modisch nur in Sachen Schlips ein Purist ist. Nur eine einzige Krawatte besitzt er, eine schwarze. "Schleifen strahlen Frohsinn aus", sagt er. Und dass sie immer en vogue sind, ist für ihn sowieso keine Frage.

Quelle: Manuela Blisse, Berliner Morgenpost, 22. März 2008

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